Der 6-jährige Willi hat das Di-George-Syndrom und eine Halbseitenlähmung links. Schon zum zweiten Mal nimmt er an einer Intensivtherapie teil und verdeutlicht die Bedeutung von intrinsischer Motivation für die Therapie.
Der 6-jährige Willi hat schon eine lange Krankengeschichte. Durch das angeborene Di-George-Syndrom und einer rechtseitigen Polymikrogyrie, die du einer Halbseitenlähmung links geführt hat, hat er kognitive und motorische Einschränkungen vor allem beim Gehen oder der Einbeziehung der linken Hand in alltägliche Handlungen.
Seit August 2020 begleiten unsere Physiotherapeut:innen Willi schon auf seinem Weg, seine motorischen Fähigkeiten auszubauen und zu verbessern. Im Juni 2022 nahm er schon an einer Intensivtherapie teil, mit dem Fokus die Stabilität in den Beinen zu verbessern und den gelähmten Arm besser zu benutzen. Willi hat in dieser Intensivtherapie schon einige Erfolge erzielt. Mitte Juli nahm er an einer zweiten Intensivtherapie teil, um an den Erfolgen weiter anzuknüpfen. Für 2 Wochen war er von Montag bis Freitag jeweils 4 Stunden mit einer Pause bei uns in Einzeltherapie.
Das Hauptziel der zweiten Intensivtherapie ist weiterhin die Steigerung der Stabilität im Stehen und die Verbesserung des Gehens mit Unterstützung. Aufgrund der Halbseitenlähmung ist Willis linke Hand sehr vernachlässigt und wenig in seine Handlungen integriert. Dazu kommt, dass es mit der linken Hand schwierig ist gezielt zu üben, da er jede Führung bzw. Intervention mit einer Tätigkeit mit links zu machen vehement ablehnt. Eine der wenigen Möglichkeiten die linke Hand in die Handlungen zu integrieren ist mit beiden Händen einen Ball zu fangen.
Unser Langzeitziel ist es aber auch, Willis Stützfähigkeit mit seiner linken Hand so zu verbessern, dass er mit einem Gehhilfsmittel selbstständig ohne Hilfsperson gehen kann. Dafür ist die symmetrische Stützfähigkeit ein wichtiges Ziel.
Willi war wieder mit viel Freude dabei und entdeckte sehr schnell sein neues Lieblingsspiel, das Aufzug fahren. Sämtliche Übungen wollte er immer mit dem Aufzug machen und wir merkten schnell, dass er dafür wirklich motiviert ist und lange konzentriert bei der Sache bleiben kann.
Die Bedeutung der Motivation
Es wird zwischen zwei Arten der Motivation unterschieden: die extrinsische und die intrinsische Motivation. Bei der extrinsischen Motivation liegt der Fokus auf der Umwelt. Das extrinsische Prinzip arbeitet über Belohnungen. Ein Kind bekommt z.B. ein Zuckerl, wenn es die Stiege hochsteigt oder eine bestimmte Gehstrecke geht. Bei der intrinsischen Motivation kommt der Antrieb von innen heraus. Das Kind ist mit ganzem Herzen und voller Konzentration bei der Sache. Durch diese intrinsischen Handlungen wird Dopamin im Körper ausgeschüttet. Die dadurch entstandenen Glücksgefühle sind die größte Belohnung, die das Kind aus seinen Handlungen ziehen kann.
Auch Kinder mit einer Beeinträchtigung haben die intrinsische Motivation neugierig die Welt zu entdecken und ihren Bewegungsradius zu erweitern. In der Therapie mit beeinträchtigten Kindern versuchen wir die intrinsische Motivation zu entdecken und das Kind an diesem Punkt abzuholen und zu unterstützen. Willi zeigte uns hier klar, dass sein offener Kanal zu dieser Motivation das Spiel mit dem Aufzug ist.
Immer wieder Aufzug fahren
Bei Willis Lieblingsspiel, dem Lift fahren, steuern die Patient:innen den Lift mit ihrer Bewegung, um Personen von einem Stock in einen anderen Stock zu bringen. Da wir die große Motivation von Willi beim Spiel Aufzug bemerkten, versuchten wir auch immer wieder gezielt mit der linken Hand zu üben. Und das war wirklich erstaunlich. Willi ließ sich führen, machte verschiedene Übungen nur mit der linken Hand und hatte Spaß dabei. Seine Mama war ganz erstaunt, dass wir die Hand mit Klettverschlüssen und Gurten in unseren Geräten anschnallen durften. Dies hat er zuvor immer verweigert. Wir übten mit dem Multiball das kontrollierte Bewegen des Unterarmes, im Diego das Heben und Senken des Armes aus der Schulter mit immer weniger Gewichtsabnahme des Armes, das Greifen und Loslassen der Finger im Amadeo.
Hier zeigt sich, was intrinsische Motivation ausmacht. Immer wenn die Physiotherapeut:innen versuchten das Spiel zu ändern und einen neuen Input zu setzen, machte Willi nicht mehr richtig mit und brauchte wieder viel mehr Hilfestellung bei den Bewegungen des linken Armes. Auch bei den Übungen im Stehen oder mit dem Fokus auf der unteren Extremität, konnte er sich mit dem Aufzugspiel viel besser konzentrieren und probierte gern immer wieder neue Positionen und Übungen aus. Also spielten wir unzählige Runden Aufzug fahren und Willi übte unermüdlich in verschiedensten Positionen (stehen, sitzen auf dem Sessel, dem Hocker ohne Lehne, dem Pezziball und dem ovalen Donut) das symmetrische Abstützen nach vorne und seitlich. Mit jedem Tag schaffte er es die linke Hand mehr und selbstverständlicher in seine Handlungen zu integrieren. Er lernte so auch besser und gezielter nach Dingen zu greifen und konnte am Schluss einen Reifen in beiden Händen halten und auf und ab bewegen.
Übungen für Gleichgewicht und Gehen
Um das Gleichgewicht zu trainieren, fanden sehr viele Übungen im Stehen statt. Vor allem die Gewichtsverlagerung in Schrittstellung auf das vordere Bein, das er beim Gehen braucht, wurde geübt, um sein Gewicht am Standbein voll selbst zu übernehmen. Dabei stand Willi auf allen möglichen Untergründen mit dem Tymo, oder dem Pablo Sensor. Wir schafften über diese verschiedenen Untergründe immer wieder neue Bewegungsimpulse, um das Gleichgewicht optimal trainieren zu können. Zu diesen Untergründen zählten der Tymo mit und ohne die Kipp- und Kreiselelemente, das Airexpad und die MFT Platte.
Gehen übten wir mit Willi täglich. Wir legten sehr viel Wert darauf, dass Willi so oft wie möglich die Strecken durch unsere Räumlichkeiten selbst geht. Um das Abstützen nach vorne, für ein mögliches Ganghilfsmittel in der Zukunft, anzubahnen, ließen wir Willi die meiste Zeit Rollhocker, Sessel oder den großen Pezziball nach vorne schieben. Dabei muss er sich symmetrisch abstützen, beide Arme nach vorne schieben und dann die Schritte setzen. Immer öfter schaffte Willi so ein paar Schritte allein zu gehen. Er benötigt hier nur immer wieder die Erinnerung und eine leichte Führung die linke Hand abzustützen und aktiv in die Bewegung zu integrieren.
Am PerPedes war Willi wieder mit Freude dabei und schaffte täglich mehr Gewicht selbst zu übernehmen. Über die vielen Wiederholungen der Schritte konnte er immer dynamischer gehen und wurde zunehmend schneller beim Gehen, da er die Schritte zuverlässiger ansteuern konnte, während das andere Bein stabil steht.
Den größten Effekt für die untere Extremität erreichte Willi am Omego. Hat er anfangs noch nicht gewusst, wie er seine Beine einsetzen kann, um beim Spiel etwas zu bewirken, schaffte er das nun immer besser. Über die Einstellung der Beinpresse übten wir immer wieder das Strecken der Knie beidseitig und auch einseitig. Da Willi so viel Spaß am Spiel Aufzug hatte, lernte er schnell die richtigen Bewegungen zu machen und brauchte schon bald gar keine Hilfestellung mehr. Im weiteren Verlauf der Therapie stellten wir immer wieder Widerstände ein, damit er noch fester andrücken konnte.
Ein Sportfest für Willi
Um objektiv bewerten zu können, ob unsere Patient:innen Fortschritte machen, führen wir jedes Mal eine genaue Anfangs- und Enduntersuchung durch. Um Willi zu motivieren und die Assessments kindgerecht durchzuführen, haben wir mit Willi am Ende der Therapie ein kleines Sportfest mit eigenem Stempelpass und Urkunde veranstaltet.
Die Kraft der Oberschenkelmuskulatur haben wir am Omego mit dem Krafttest Sit to Stand gemacht. Die Steigerungen bei der Kraftmessung sind dabei beachtlich: er konnte seine Kraft im Vergleich zum Therapiestart um 11 kg steigern. Wir, Willi und seine Eltern sind begeistert über dieses Ergebnis.
| Therapiestart | Nach 1 Woche Therapie | Therapieende |
Gesamtbeinkraft (Sit-to-stand Kraft) | 5 kg | 24 kg | 35 kg |
Zu Therapiestart nahmen wir auch Willis Bewegungsstatus auf. Angelehnt an der Liege kann Willi stehen. Wenn er dann nach einem Ball greift, verlagert er den Oberkörper nach vorne und kommt von der Liege weg zum freien Stehen. Dabei braucht er eine gute Balance um anschließend nicht nach vorne zu fallen. Dies schaffte er 4-mal ohne die Hilfe unserer Physiotherapeut:innen. Beim Ball spielen mit seiner Mama steht Willi 30 Sekunden ohne anlehnen frei im Raum mit wenig Unterstützung am Becken.
Im Tandemstand (die Füße stehen auf einer Linie hintereinander) steht Willi mit dem rechten Fuß vorne 30 Sekunden, links vorne 23 Sekunden und benötigt dabei Martinas Unterstützung am Becken von vorne und hinten. Seitlich kann er sich allein ausbalancieren. Währenddessen spielt er auch bei dieser Haltung mit seiner Mama Ball. Am Ende der Intensivtherapie steht er auch beidseitig 1 Minute mit Unterstützung vorne und hinten am Becken. Zur Seite balanciert er sich wieder selbstständig aus.
| Therapiestart | Therapieende |
Tandemstand | Rechts vorne: 30 Sekunden Links vorne: 23 Sekunden | Rechts vorne: 1 Minute Links vorne: 1 Minute |
Mehr Stabilität
Die zweite Intensivtherapie war nicht nur objektiv ein Erfolg. Die Eltern bemerken auch selbst Verbesserungen und berichten, dass er im Alltag viel stabiler geworden ist, länger stehen kann, weniger Unterstützung beim Gehen und dem Auslösen der Schritte braucht und subjektiv betrachtet die linke Hand öfter in seine Alltagshandlungen einbezieht, ohne dass er daran erinnert wird.
Lieber Willi, wir wissen nicht genau, wie viele Stunden du insgesamt Aufzug gespielt hast, es waren sehr viele. Aber es hat uns große Freude gemacht, dich diese 2 Wochen Intensivtherapie auf deinem Weg zum Stehen und Gehen zu begleiten und wir freuen uns dich auch weiterhin in unserem Institut zu unterstützen.
Großzügige Spende für Intensivtherapie
Willis Intensivtherapie im Juli 2022 wurde dank einer großzügigen Spende des Vereins „Dank Dir“ ermöglicht. DANK DIR ist eine Online-Spendenplattform für Kinder mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung in Österreich mit dem Zweck, dringend benötigte Therapien oder Heilbehelfe zu finanzieren. Darüber hinaus unterstützt DANK DIR Sonderausgaben für Geräte, die der Inklusion dienen (Behinderten-Fahrräder u.ä.) oder auch Adaptierungen im Wohnbereich.
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