Bewegungstherapie mit 16 - Ein Erfahrungsbericht
Vor zwei Jahren erlitt der damals 14-jährige Kevin einen Schlaganfall. Der Schicksalsschlag kam völlig überraschend: „Wir waren im Schwimmbad, Kevin kam aus dem Wasser heraus. Plötzlich viel er um“, erzählt Kevins Vater Ernst. Seitdem leidet er an einer Hemiparese – darunter versteht man eine unvollständige Halbseitenlähmung, bei der Kevins rechte Körperhälfte Lähmungserscheinungen aufweist. Bei Kevin zeigt sich das in einer reduzierten Kraft und Tiefensensibilität des rechten Beines und vor allem des rechten Armes. Konkret fällt es ihm z.B. schwer Lebensmittel zu verarbeiten oder mit Messer und Gabel zu essen, was für ihn in seiner Lehre zum Koch nachteilig ist. Seiner großen Leidenschaft Fußball kann Kevin auch nicht mehr so wie vor seinem Schlaganfall nachgehen.
„Meine größten Ziele sind, dass ich mit meinen Freunden wieder Fußball spielen und meine Ausbildung zum Koch erfolgreich abschließen kann“, erzählt Kevin.
GROSSZÜGIGE SPENDE
Dank der großzügigen Spende des Vereins „Dank dir" wurde Kevin eine 3-wöchige Intensivtherapie mit täglich vier bis sechs Stunden hoch dosierter Bewegungstherapie bei HOME4MOTION in Graz ermöglicht. „Dank Dir!“ ist ein Verein mit Online-Spendenplattform für Kinder mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung in Österreich, um Therapien oder Heilbehelfe zu finanzieren.
3-WÖCHIGE INTENSIV-THERAPIE
Die 3-wöchige speziell für Kevin angepasste Intensivtherapie mit unseren Computer- und Robotikgestützten Therapiegeräten setzt sich aus mehreren Teilbereichen zusammen. Gezielt wurde am Kraftaufbau und der Ausdauer der rechten Bein- und Armmuskulatur und auch die Verbesserung der verringerten Tiefensensibilität gearbeitet.
Robotikgestütze Gang- und Gleichgewichtstherapie
Aufgrund des Schlaganfalls ist Kevins Rhythmus und Sicherheit beim Gehen beeinträchtigt. Das wurde mit Hilfe der Gangtrainer „Lyra“ und „Perpedes“ intensiv therapiert. Beide Geräte ermöglichen das Ausführen vieler Schritt-Wiederholungen und dadurch ein Wiedererlernen eines richtigen und vor allem sicheren Gangbildes.
Das sichere Gangbild wird auch durch Gleichgewicht- und Stabilitätsübungen verbessert. Dazu kam die Druckmessplatte „Tymo“ in Einsatz, bei der das statische und dynamische Gleichgewicht in verschiedenen Positionen geübt werden kann. Das ist Kevin besonders wichtig, denn die Herausforderung beim Fußball ist oft das Gewicht dynamisch verlagern zu können – eine Fähigkeit, die Kevin noch fehlt(e). Dazu ist nicht nur Gleichgewicht, sondern das Körpergewicht auf der linken und rechten Seite belasten zu können, essentiell. Kevin fällt es hier besonders schwer sein Körpergewicht mit dem rechten Bein zu übernehmen. Aus diesem Grund lag der Fokus bei den Übungen immer wieder darauf.
Spezielles Reaktionstraining wird mit unserem Gangphasentrainer „Omego“ geübt. Zwei separate Antriebe ermöglichen eine gesonderte, isolierte Bewegung und Belastung der beiden Beine. Spielerisch mit einer Art Computerspiel muss Kevin seine Beine unterschiedlich belasten, um z.B. Pfeile auf einer Zielscheibe zu schießen. Dabei können Kraft und Ausdauer der Beine verbessert und die gleichmäßige Kraftverteilung verbessert werden.
„Ich will Koch werden“
Kevin macht gerade seine Lehre zum Koch - wichtig dafür ist Lebensmittel verarbeiten zu können. Seit dem Schlaganfall ist vor allem Kevins rechte Hand beeinträchtigt und zeigt eine starke Spastik auf. Hier kommt unser Therapiegerät „Pablo“ ins Spiel. Unterschiedliche Sensoren sind im Einsatz, um alltagsrelevanten Bewegungen der Hand zu simulieren. Ein spezielles Element dabei ist der Handsensor. Dieser ermöglicht das Üben von grob- und feinmotorischen Hand- und Fingerbewegungen, wie beispielweise der Faustschluss oder den Pinzettengriff – besonders wichtig für den zukünftigen Koch, um z.B. ein Messer gut halten und vor allem benutzen zu können.
Handtrainer „Amadeo“ arbeitet durch Vibration einerseits gezielt an der Verbesserung der Tiefensensibilität und andererseits durch das Lockern und Entspannen der Finger an der Verbesserung der Beweglichkeit der Finger, sowie das isolierte Bewegen der einzelnen Finger. Beide Geräte sind für den Therapieerfolg maßgebend und ermöglichen Kevins Lehre erfolgreich weiter zu führen.
EIN VOLLER THERAPIEERFOLG
Um objektiv bewerten zu können, ob unsere Patienten Fortschritte machen, führen wir jedes Mal eine genaue Anfangsuntersuchung durch. Die Tests dieser Untersuchung werden während und am Ende des Therapieblocks wiederholt, damit wir ein optimales Training gewährleisten können.
So auch bei Kevin – und seine Fortschritte und Erfolge können sich sehen lassen!
Griffkraft
Zu Therapiebeginn hatte Kevin in seiner rechten Hand eine Griffkraft von 6,7 kg. Zu Therapieende hat sich dieser Wert verdoppelt. Die rechte Hand zeigte bei der Abschlusstestung eine Griffkraft von 12,4 kg.
Spastik
Unter Spastik versteht man eine krankhafte Erhöhung der Muskelspannung aufgrund einer Schädigung des zentralen Nervensystems. Die Ausprägung der Spastik wird durch passive Dehnung der jeweiligen Muskeln gemessen und verhält sich direkt proportional der Testgeschwindigkeit. Wird die Testung also schnell ausgeführt, ist die Spastik schnell und hoch vorhanden, wird diese langsam ausgeführt ist diese eher gering präsent. Unser Handtherapiegerät „Amadeo“ ermöglicht eine standardisierte Messung dieser Spastik mit drei Geschwindigkeitseinstellungen.
Zu Beginn der Intensivtherapie zeigt sich schon bei der niedrigsten Messgeschwindigkeit V1 eine bestehende Tonuserhöhung (Muskelspannung). Diese ist von Daumen bis Mittelfinger messbar. Mit zunehmender Messgeschwindigkeit steigt diese ebenfalls. Zum Ende der Intensivtherapie zeigt sich sogar bei der schnellsten Messgeschwindigkeit eine nur mehr geringe messbare Gegenspannung der Muskulatur. Dies bedeutet, dass die Ansteuerung über das Gehirn nun besser funktioniert als vor der Therapie.
Tiefensensibilität der Beine
Die Tiefensensibilität haben wir mit Hilfe unseres Gangphasentrainers getestet. Die Aufgabe bestand darin, eine vorgegebene Pedalstellung möglichst genau zu erreichen.
Der Ablauf der Testung sah wie folgt aus: Die Beine wurden in eine bestimmte Stellung gebracht. Dann spürte Kevin mit geschlossenen Augen die Stellung beider Beine. Das Gerät fuhr dann wieder in die Ausgangsposition zurück. Anschließend musste Kevin über das Display die Beinstellung wieder so einstellen, wie sie diese zuvor wahrgenommen hatte. Gemessen wurde dann der Winkelunterschied zwischen den beiden Positionen (vorgegebene und nachgestellte) in Grad. In Summe wurden vier Messungen gemacht und eine mittlere Differenz ermittelt. Diese ergab bei der Anfangstestung von Kevin 13,2°.
Zu Therapieende ergab die Summe der vier Messungen eine mittlere Differenz von 9,8° - ein wirklich sehr guter Wert.
Beinkraft
Unser Gangphasentrainer „Omego“ hat die Möglichkeit die bestehende Beinkraft zu messen. Die Messung ermittelt die Beinkraft in Sitzender Position jedes einzelnen Beines, aber auch die Fähigkeit des Kraftaufbaus mit beiden Beinen (Sit to Stand) gleichzeitig.
Zu Therapiebeginn konnte Kevin mit beiden Beinen die Kraft von 67,0 kg erreichen. Am Ende der Therapie wurde dieser Wert fast verdoppelt: Kevin erzielt mit beiden Beinen Beinkraft von 102,2kg. In anderen Worten Kevin hat eine deutlich gesteigerte Fähigkeit auf beiden Beinen gleichzeitig Kraft aufzubauen!
Resümee der Intensivwoche
Diese drei intensiven Therapiewochen waren objektiv ein großer Erfolg. Es hat sich nicht nur die Griffkraft und Spastik seiner rechten Hand verbessert bzw. reduziert, sondern auch die Tiefensensibilität der Beine und das Gangbild.
Was allerdings noch viel wichtiger ist, ist der subjektive, persönliche Erfolg für Kevin. Er nimmt nicht nur eine deutliche Verbesserung des Allgemeinzustandes der rechten Hand wahr, sondern auch seines Gangs und seiner Stabilität. So war es in den letzten beiden Therapietagen sogar wieder möglich Fußball zu spielen – er kommt seinem Ziel irgendwann mit seinen Freunden wieder Fußball spielen zu können immer näher!
Wir glauben an dich, Kevin!
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