Notrina ist ein starkes Mädchen. Eine neurodegenerative Erkrankung führt zu motorischen und kognitiven Entwicklungsstörungen. Mit robotikgestützter Bewegungstherapie steht der Erhalt ihrer Bewegungen an erster Stelle.
Die 13-jährige Notrina B. kam mit einer besonderen Diagnose zur Welt: Pontocerebelläre Hypoplasie Typ 2D. Dabei handelt es sich um eine sehr seltene fortschreitende neurodegenerative Erkrankung. Bereits von Geburt an auftretende motorische und kognitive Entwicklungsstörungen gelten dabei als Leitsymptome. Da keine ursächliche Therapie möglich ist, steht der Erhalt von Funktionen und Bewegungen und das Behandeln von Symptomen im Vordergrund.
Nachdem Notrina im zehnten Lebensjahr ihre Gehfähigkeit aufgrund einer Tonussteigerung in den Beinen eingebüßt hatte und Botox-Behandlungen nicht zum gewünschten Ziel führten wieder gehen zu können, musste eine neue Lösung her.
Eine umfangreiche Operation war es, die ihr wieder zu mehr Lebensqualität verhelfen konnte. Für diese musste sie Ärzte außerhalb Österreichs aufsuchen, da es sich auch um ein riskantes Verfahren handelte. Insgesamt wurden acht verschiedenen Stellen einer Myofasziotomie nach Ulzibat durchgeführt. Bei einer Myofasziotomie werden die Muskelfaszien, die bei Verspannungen der Muskulatur verklebt und verhärtet sind, operativ über kleine Schnitte gelöst. Das Ergebnis ist, dass Notrina nach wenigen Monaten mit entsprechenden Hilfsmitteln und Begleitung wieder auf den Beinen steht und gehen kann. Ihr Bewegungsausmaß ist wesentlich freier und auch der einst so starke Tonus hält sich in Grenzen. Trotz des Fortschritts ist sie in ihrem Alltag, besonders bei längeren Distanzen, noch auf den Rollstuhl angewiesen. Das möchte Notrina jedoch unbedingt verbessern.
Seit Anfang März 2022 begleiten sie unsere Physiotherapeuten:innen einmal in der Woche auf ihrem Weg. Im Rahmen einer Intensivtherapie im April konnte sie zusätzlich fünf Tage lang jeweils zwei Stunden ein besonderes physiotherapeutisches Programm in unserem Therapiezentrum durchlaufen. Der Vorteil der Intensivtherapie ist die hohe Intensität, die große Anzahl an Wiederholungen, die intensive Arbeit mit den Physiotherapeut:innen und der Spaß.
Abwechslungsreiches Gangtraining bringt Verbesserungen
Entsprechend ihres Ziels lagen die Schwerpunkte der Intensivtherapie auf dem Gehtraining, dem Kraftaufbau der unteren Extremitäten und der Rumpfkontrolle. Mit der Motivation einer Leistungssportlerin absolvierte Notrina jeden der fünf Tage Intensivtherapie.
Das Gehtraining fand auf dem Gangtrainer „Perpedes“ statt, der besonders dabei hilft ein physiologisches Gangbild wieder zu erlernen. Der Gangtrainer ermöglicht es länger als mit einer konventionellen Therapie und vor allem sicher an seinen physischen Grenzen zu trainieren, indem ein Teil des Körpergewichts entlastet werden kann. Dabei wurde Schrittlänge, Geschwindigkeit und der Bewegungsablauf genau an Notrina angepasst.
Notrina musste während dieser Gangtherapie auf ein aufgerichtetes Becken, die Vermeidung eines Hohlkreuzes und die Streckung des Knies achten. Notrinas Physiotherapeut war dabei immer an ihrer Seite und korrigierte eventuelle Fehler.
Notrinas Gehfähigkeit wurde auch am Gehbarren trainiert, wobei sie hier wieder auf ganz andere Weise gefordert war. Mit Unterstützung und Anleitung ihres Physiotherapeuten wurde dabei das freie Stehen und Gehen geübt. Im Gegensatz zum Gangtrainer, der Schrittlänge etc. genau vorgibt, musste Notrina am Gehbarren viel selbstständiger den Bewegungsablauf während des Gehens ausführen. Für Notrina war das autonome Gehen eine herausfordernde Übung, jedoch funktionierten am Ende der Intensivtherapie die Gehlängen am Gehbarren zunehmend freier und zahlreicher.
Auch das möglichst kontrollierte Aufstehen mit Anhalten vom Rollstuhl oder Pezziball am Barren oder Sprossenwand wurde trainiert.
Für die Steigerung der Kraft der Beine wurde zusätzlich zu konventionellen Übungen, mit dem robotikgestützten Gangphasentrainer „Omego“ geübt. Dieses Gerät bietet besonders viele unterschiedliche Möglichkeiten die Beine mit spielerischen Übungen herauszufordern. Hier wurden vor allem die Muskeln für die Standkraft mit den Funktionen Stepper, Beinpresse oder Radfahren in Kombination mit interaktiven Computerspielen trainiert. Notrina konnte am Ende der Intensivtherapie schon mit leichtem Widerstand gut Radfahren.
Mehr Kraft in den Beinen
Um objektiv bewerten zu können, ob unsere Patienten:innen Fortschritte machen, führen wir jedes Mal eine genaue Anfangs- und Enduntersuchung (Assessments) durch.
Dazu wurde Notrinas Beinkraft (Maximalkraft) gemessen. Die Maximalkraftmessung wird in sitzender Position auf dem Gangphasentrainer Omego durchgeführt. Jedes Bein wird separat auf seine maximale Kraft getestet. In Summe ergibt sich dann eine Standkraft (oder "Sit-To-Stand"-Kraft).
Notrinas Werte können sich sehen lassen: die anfänglich gemessene Kraft von 37,5kg konnte zwischenzeitlich auf 48 kg gesteigert werden.
Für mehr Selbstständigkeit im Alltag
Notrina und ihre Mutter sind zufrieden mit der Intensivtherapie. Besonders die Therapie mit dem Gangtrainer Perpedes und dem Gangphasentrainer Omego haben dem jungen Mädchen gut gefallen. Besonders stolz ist sie darauf, dass sie mit dem Gehbarren schon länger freier gehen konnte. Durch die Therapie ist sie außerdem gut auf einen neuen speziellen Rollator vorbereitet, um wieder selbstständiger im Alltag zu gehen.
Großzügige Spende für Intensivtherapie
Notrinas Intensivtherapie wurde dank einer großzügigen Spende des Vereins freiraum-europa ermöglicht. freiraum-europa unterstützt vorwiegend Kinder und Jugendliche, die vom Schicksal schwer getroffen wurden. Die positiven Entwicklungen seit der Gründung sind den vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen von freiraum-europa zu verdanken. freiraum-europa unterstützt im In- und Ausland behinderte Menschen in Notlagen mit Sach- und Geldspenden sowie Beratungs- und Bildungsleistungen. "Es ist uns wichtig, insbesondere dort zu helfen, wo Hilfe am nötigsten ist."
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