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AutorenbildMartina Schulze

Intensivtherapie bei Di-George-Syndrom

Aktualisiert: 9. Aug. 2022

Der 6-jährige Willi hat das Di-George-Syndrom und eine rechtsseitige Polymikrogyrie, das zu einer Halbseitenlähmung links geführt hat. Eine Intensivtherapie hilft seine motorischen Fähigkeiten beim Gehen zu verbessern.


Willi ist 6 Jahre alt und geht in den Kindergarten. Er ist ein offener, fröhlicher und starker Junge, der schon eine lange Krankengeschichte hat. Er hat das Di-George-Syndrom und eine rechtsseitige Polymikrogyrie. Das Di-George-Syndrom hat zur Folge, dass er für Infektionen sehr anfällig ist, es zu Krämpfen führen kann und häufig Fehlbildungen der großen Blutgefäße und Herzfehler entstehen. Die Polymikrogyrie beschreibt eine Fehlbildung der Hirnrinde, die bei Willi zu einer Halbseitenlähmung links geführt hat. Willi litt außerdem an epileptischen Anfällen, die zu Rückschritten in seiner Entwicklung führten. Nach einer Operation, bei der die Teile des Gehirns entfernt wurden, die diese Anfälle auslösen, geht es ihm deutlich besser. Er konnte sich im letzten Jahr motorisch und kognitiv stark weiterentwickeln- er kann mit Unterstützung einer Person gehen. Dabei nehmen die Eltern über den Oberkörper Gewicht ab und Willi kann seine Beine selbstständig nach vorne setzen und Schritte machen.


Seit August 2020 begleiten ihn unsere Physiotherapeut:innen schon auf seinem Weg seine motorischen Fähigkeiten auszubauen und zu verbessern. Von 7. bis 16. Juni 2022 nahm Willi zuletzt auch an einer Intensivtherapie in unserem Therapiezentrum in Graz teil.


Intensivtherapie für Willi

Ziele der Intensivtherapie waren es, dass Willi stabiler stehen und mehr Gewicht auf den Beinen selbst übernehmen und auch den gelähmten linken Arm in sämtliche Alltagshandlungen integrieren kann, damit Willi lernt die linke Hand auch spontan einzusetzen. Das Langzeitziel ist es hierbei eine Stützfunktion für eventuelle Gehhilfsmittel zu ermöglichen. Mit viel Begeisterung, Freude und Spaß hat er täglich an einer 2-stündigen Therapie teilgenommen.


Willi hat großen Spaß am Stehen auf der Balance-Plattform „Tymo“. Eingebaute Sensoren können Lageveränderungen des Körpers während Haltungs- und Gleichgewichtsübungen messen. In verschiedenen Positionen der Füße (z.B. ein Fuß vorne, ein Fuß hinten) steht er teilweise frei oder abgestützt auf dem Tymo und steuert über seine Gewichtsverlagerung die interaktiven Therapiespiele am Computer. Am liebsten hat er das Apfelspiel, bei dem er durch Gewichtsverlagerung nach links und rechts, von einem Baum fallende Äpfel mit einem Korb auffangen muss.

Eine große Entwicklung hat sich hier kognitiv gezeigt, da er gelernt hat, wie er sich bewegen kann, um das Spiel zu steuern. Durch die ständige Führung der Bewegungen durch die Physiotherapeut:innen konnte er das schnell lernen.


In jeder Einheit ist Willi auch auf dem Gangtrainer „PerPedes“ gegangen, der das menschliche Gangmuster detailgetreu nacherzeugt. Dabei wird das Gangmuster individuell an Willi angepasst und eine Teilentlastung durchgeführt. Der Gangtrainer ermöglicht viele Wiederholungen, damit Willi ein effizientes Gangbild lernen kann. Zu Beginn benötigte Willi bei der Kniestreckung in der jeweiligen Standbeinphase Unterstützung. Bei jeder Einheit konnte er ein bisschen mehr Gewicht selbst übernehmen und die Knie selbstständig strecken.

Durch Haltegriffe ist es auch möglich sich während des Gehens abzustützen. Damit Willi das Abstützen lernt, wurde das immer wieder während des Trainings am Gangtrainer fokussiert.


Am robotikgestützten Gangphasentrainer „Omego“ konnten wir die Aktivität der Beine gezielt üben ohne, dass Willi das Gleichgewicht im Stehen halten musste. Vor allem die Muskeln für die Standkraft werden mit Omego trainiert. Willi machte hier die Autobahn viel Spaß, bei der er, indem er das rechte oder linke Bein belastete, Autos ausweichen und überholen musste.


Außerdem liebt Willi Ball und Verstecken spielen. Beim Verstecken ist er dann mit Unterstützung seiner Eltern oder der Physiotherapeut:innen durch unsere gesamten Räumlichkeiten gegangen, um die versteckte Person zu suchen. Dabei haben wir immer wieder Hindernisse aufgelegt, die wackelig sind, oder wo er drübersteigen musste. So konnten wir spielerisch die Gehstrecken erweitern und das Gleichgewicht beim Gehen auf unebenen Untergründen fördern.

Beim Ball spielen haben wir immer wieder gezielt die linke Hand eingesetzt und verschiedene Positionen fürs Werfen und Fangen genutzt, um die Wahrnehmung und Funktionsfähigkeit der linken Hand zu verbessern.



Ein Sportfest für Willi

Um objektiv bewerten zu können, ob unsere Patienten:innen Fortschritte machen, führen wir jedes Mal eine genaue Anfangs- und Enduntersuchung durch. Um Willi zu motivieren und die Assessments kindgerecht durchzuführen, haben wir mit Willi am Ende der Therapie ein kleines Sportfest mit eigenem Stempelpass und Urkunde veranstaltet.


Timed „Up and Go“-Test

Der Timed „Up and Go“-Test wird zur Beurteilung der Mobilität der Patienten:innen genutzt. Die Patienten:innen sitzen dabei auf einem Stuhl und werden aufgefordert aufzustehen, drei Meter zu gehen, umzukehren und sich wieder zu setzen. Dabei wird die Zeit gemessen.

Zu Therapiebeginn hat Willis Papa ihn an den Schultern unterstützt, um den Oberkörper zu halten und Gewicht abzunehmen. Gemeinsam haben sie für die benötigte Distanz 46 Sekunden gebraucht. Am Ende der Intensivtherapie war es möglich den gleichen Test in einer Zeit von 56 Sekunden durchzuführen, wobei die Therapeutin ihn nur am Becken unterstützt hat. Die dafür benötigte Zeit hat sich zwar verlängert, aber Willi benötigte weniger Unterstützung und er kann seinen Oberkörper schon selbstständiger ausbalancieren.

Standsicherheitstest

Der Standsicherheitstest wird am Tymo durchgeführt. Dazu musste Willi seine Standsicherheit mit offenen Augen zeigen. Auch bei diesem Test sind Verbesserungen bemerkbar:

Start: 11 Sekunden mit Unterstützung am Becken

Ende: 20 Sekunden mit Unterstützung am Becken


Weitwurf

Weil Willi so gern Ball spielt, haben wir das auch in das Sportfest integriert. Er musste dabei den Ball so weit wie möglich werfen, um der nächste Weitwurf-Weltmeister zu werden. Um ihn zusätzlich zu motivieren, spielte sein Papa auch mit. Willi war begeistert und warf den Ball sowohl mit der rechten Hand als auch mit der beeinträchtigen linken Hand.


Mit diesen tollen Ergebnissen hat Willi das Sportfest natürlich mit Auszeichnung geschafft:




Bessere Stabilität

Willis Stabilität beim Gehen hat sich verbessert.
Willis Stabilität beim Gehen hat sich verbessert.

Die Intensivtherapie war nicht nur objektiv ein Erfolg, sondern auch subjektiv. Willis Papa ist aufgefallen, dass Willi beim gemeinsamen Gehen nicht nur im Oberkörper stabiler geworden ist, sondern auch seine Beine leichter und schneller nach vorne bewegt.


Willi wird weiterhin regelmäßig 1x wöchentlich in unser Therapiezentrum kommen, um seine motorischen Fähigkeiten weiter zu verbessern. Auch eine weitere Intensivphase im Sommer ist geplant.

Wir wünschen Willi alles Gute und freuen uns ihn weiterhin auf seinem Lebensweg begleiten zu können!









Großzügige Spende für Intensivtherapie

Willis Intensivtherapie im Juni 2022 wurde dank einer großzügigen Spende des Vereins freiraum-europa ermöglicht. freiraum-europa unterstützt vorwiegend Kinder und Jugendliche, die vom Schicksal schwer getroffen wurden. Die positiven Entwicklungen seit der Gründung sind den vielen haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen von freiraum-europa zu verdanken. freiraum-europa unterstützt im In- und Ausland behinderte Menschen in Notlagen mit Sach- und Geldspenden sowie Beratungs- und Bildungsleistungen. "Es ist uns wichtig, insbesondere dort zu helfen, wo Hilfe am nötigsten ist“.


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